Community Call zum Thema Zivilcourage
Zivilcourage – hinschauen und handeln! Zu diesem Thema fand unser monatlicher Community Call im November statt. Passend zu den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen, einer nationalen Kampagne, die sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt einsetzt, von der auch Campax bereits seit mehreren Jahren teil ist.
Der Zoomcall begann mit einem Input von Gewalt- und Männerberater Christoph Gosteli vom Mannebüro Züri.
Sehr eindrücklich und einfach verständlich schlug er den Bogen zwischen Männlichkeitsbildern, patriarchaler Weltansicht und geschlechtsspezifischer Gewalt.
A whole lotta Statistik
WICHTIG: Dies sind alles offizielle Zahlen aus der Kriminalstatistik, das heisst aber auch, dass die Dunkelziffern riesig sind, denn Straftaten anzuzeigen ist nach wie vor eine grosse Hürde für die Betroffenen.
2023 wurden knapp 20’000 Straftaten im häuslichen Bereich gemeldet, diese Zahl ist seit 4 Jahren etwas auf demselben Niveau.
Die Straftaten reichen von Drohungen und Beschimpfungen über einfache Körperverletzung bis hin zu Vergewaltigung.
70.1% der betroffenen Personen sind weiblich.
Dasselbe gilt für sexualisierte Gewalt. Auch dort wurden letztes Jahr mehr als 10’000 Fälle erfasst.
Interessant ist der Anstieg der Anzeigen um etwa 20% im Vergleich zu 2022. Dies ist aber unter anderem auch mit der medialen Aufmerksamkeit des Themas und der Revision des Sexualstrafrechts zu erklären.
- Laut Umfragen hat jede 4. Frau in der Schweiz bereits sexualisierte Gewalt erlebt.
- 61% der Gewalttaten finden in Privatwohnungen (zuhause) statt.
- 67% der Täter sind der betroffenen Person bekannt, zum Beispiel der (Ex-)Partner.
"4 von 100"
In der Schweiz führen nur 4 von 100 Vergewaltigung zu einer Verurteilung.
Diese Zahl zeigt eindrücklich, dass unser System nicht die Betroffenen, sondern die Täter schützt.
Bereits die Hürde überhaupt eine Anzeige zu erstatten, ist riesig. Hinzu kommt die (mögliche) Retraumatisierung durch den Gerichtsprozess, mit teilweise überschreitenden Aussagen vonseiten der Verteidigung/Richter*innen. Ein Beispiel zeigte sich gerade erst in einem Vergewaltigungsprozess in Graubünden:
Es braucht dringend Reformen! Mehr und bessere Unterstützung der Betroffenen, Sensibilisierung und Schulungen für Polizei und Justiz, sowie den Abbau rechtlicher und gesellschaftlicher Hürden.
Die Gewaltpyramide
Geschlechtsspezifische Gewalt beginnt nicht erst bei körperlicher Gewalt, sondern viel früher.
Durch die Akzeptanz von sexistischen (oder anderen diskriminierenden) Einstellungen und Überzeugungen, wird Gewalt legitimiert und normalisiert.
Während für viele Frauen oder FINTA Personen täglicher Sexismus und Übergriffe praktisch zum “normal” gehören, dürfen wir nicht vergessen, dass es eben NICHT normal ist.
Mikroaggressionen, seien diese absichtlich oder unabsichtlich sind der nächste Schritt zum verbalen Ausdruck von Gewalt.
Oder anders gesagt: dem verbalen Ausdruck von Gewalt, beispielsweise Catcalling (Frauen hinterherpfeifen oder -rufen) oder sexistischen Witzen, liegen sexistische Einstellung und Überzeugungen zugrund.
“Es ist ja nur ein Witz.” oder “Nimm’s doch als Kompliment.”
Kleine subtile Sticheleien oder Verhaltensweisen, beispielsweise Männer, die Frauen regelmässig unterbrechen oder ihre Meinung nicht ernst nehmen, gehören dort ebenfalls dazu.
Was tun?
Hinschauen und handeln – besonders als aussenstehende Personen. Sei dies bei sexistischen Witzen, übergriffigen Berührungen oder wenn du häusliche Gewalt mitbekommst.
Aufeinander achten, Gewaltanzeichen erkennen und auch bereits bei alltäglichem Sexismus und Mikroaggressionen Stellung beziehen.
Gerade bei Menschen, zu denen du eine gute Beziehung hast, kannst du mit einem Gespräch vieles verändern. “Letzte Woche am Stammtisch hast du einen sexistischen Witz gemacht. Den fand ich weder lustig, noch angebracht. Wie stehst du dazu? Ich wünsche mir, dass du (in meiner Gegenwart) keine solchen Witze mehr machst, weil sie ein erster Schritt zu geschlechtsspezifischer Gewalt sind.”
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